Alain Delon für Raucher

Januar 2007.


Alain Delon für Raucher und die Mondsichel auf dem Rücken.
Erste Eindrücke aus dem Königreich Kambodscha.





Der amerikanische Geheimdienst CIA (Central Investigation Agency) gibt ein “World Factbook” heraus, das über die Länder unseres Erdballes allerlei nützliche Informationen bereithält. Es ist auf dem Internet einsehbar und wurde zuletzt am 27. Januar 2007 aktualisiert. Über die Bundesrepublik Deutschland steht da zum Beispiel zur Ausdehnung: “kleiner als der US-Bundesstaat Montana” und zur Altersstruktur: “0-15 Jahre: 14,1 %; 15-64 Jahre: 66,4 %; 65 Jahre und älter: 19,4 %”. Sieht man unter “Kambodscha” nach, findet man einen treffenden Größenvergleich mit dem US-Bundesstaat Oklahoma (“nur unwesentlich kleiner”) und eine interessante Altersstruktur (“0-15 Jahre: 35,1 %; 15-64 Jahre: 61 %; 65 Jahre und älter: 3,4 %”). Die durchschnittliche Lebenserwartung wird mit 59,29 Jahren angegeben (für Männer 57,35 und für Frauen 61,32 Jahre), und 73,6 % aller Kambodschaner sollen lesen und schreiben können (84,7 % der Männer und 64,1 % der Frauen). Ungefähr 1,5 Millionen Menschen starben während des Regimes der Roten Khmer – sie wurden ermordet, verhungerten, starben an unbehandelten Krankheiten oder während der Flucht. Das war schätzungsweise 1/4 der damaligen Bevölkerung. Das Regime von Pol Pot begann mit dem Einmarsch in der Hauptstadt Phnom Penh am 17. April 1975 und wurde durch den Einmarsch vietnamesischer Truppen am 7. Januar 1979 beendet. Ich war im März 2001 für 14 Tage als Touristin hier. Jetzt bin ich seit einem Monat wieder in Phnom Penh. Es gibt noch mehr Zahlen zu Kambodscha. Sie machen mich hilflos.


Würde ich noch rauchen, könnte ich mir jetzt zur Nachdenklichkeit eine ”Alain Delon” anstecken. Dass die Anglophilen überall im ehemaligen "Indochine" auf dem Vormarsch sind, muss Alain Delon traurig stimmen. Die Werbung für die Glimmstengel, die nach diesem beliebten französischen Schauspieler benannt sind, an den sich auch deutsche Nicht-Kinogänger wegen seiner Liaison mit Romy Schneider erinnern (das schönste Paar, das je an einem Swimming Pool lagerte), lautet schlicht: "the taste of France" – der Geschmack von Frankreich. Die Werbetafeln sind riesig, und die rote Packung “Alain Delon” ist bei jedem Straßen-Zigarettenhändler zu haben. Erstaunlicherweise wird hier nicht halbwegs soviel geraucht wie in China (denke ich) – und das ist nur der geringste Unterschied zwischen meiner alten und meiner neuen Heimat. Am auffälligsten für mich ist – da das meine Neugier jeden Tag aufs Neue ausbremst – die Kürze der Tage. Wenn ich mein Büro um 18.00 Uhr zuschließen darf, geht die Sonne schon zu Bett. Da bleibt sie dann geschlagene zwölf Stunden – und steht erst wieder mit mir auf. Immerhin kann ich jeden Abend den Mond bewundern. Denn zur Zeit ist hier alles trocken in Kambodscha, keine Regenwolken sind am Himmel, und der Mond ist als Rebus-Rätsel verkleidet. Von meiner Oma habe ich gelernt, den abnehmenden Mond (“schreibt sich die Sichel wie ein A?”) von einem zunehmenden (“... oder wie ein Z?” – natürlich alles auf Sütterlin) zu unterscheiden. Aber hier lag die Sichel einfach auf dem Rücken, wie ein ziemlich breites U. Jetzt mutierte der Mond wieder zur Apfelsinenscheibe, und ich weiss immer noch nicht, wie mir Omas Rat in Kambodscha nützlich wird. Aber schließlich werde ich noch mehr Gelegenheit zur Sterndeutung haben. Den nächsten Sichelmond kann ich hoffentlich aus dem Fenster meiner eigenen kleinen Wohnung betrachten. Die ist nämlich noch nicht bezugsfertig. Sie war bis vor kurzem ¼ eines Dachgartens und besteht jetzt erst aus vier ockerfarbenen Wänden, Türen und Fenster fehlen ihr noch. Schon bald werde ich eine kambodschanische Adresse haben, und alle, alle können mir dann schreiben ...


Helga aus dem Königreich der Khmer.
Phnom Penh, 28. Januar 2007.


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